Hallo Freunde des detailreichen Hintergrunds!
Ich gehe mal davon aus, ihr kommt gerade von der Grundlagenerklärung. Wenn nicht, würde ich darum bitten diese zu lesen, damit wir eine Sprache sprechen.
Zur Grundlagenerklärung geht es hier: Perspektivisches Zeichnen - Grundlagen
Aber jetzt! – die Einpunktperspektive.
Beispielbilder
Die Einpunktperspektive ist deshalb so einfach, weil sie nur einen Fluchtpunkt hat (ach nee, echt?!). Man findet sie bei einfachen Straßenansichten, Innenräumen die wir der Länge nach betrachten, oder Landschaften, sowie bei nahezu jedem (eckigen) Objekt, bei dem wir auf eine Seite und nicht auf die Kante schauen.
Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, diesen Spoiler aufgeklappt zu lassen
Abb. 1, Abb. 2
Die Objekte im Bild sind von oben betrachtet alle parallel angeordnet (Abb. 1). Von „vorne“, also in der Perspektive, laufen alle Linien, die parallel zum Boden und zum Sehstrahl verlaufen, als Fluchtlinien (rot) auf einen Punkt zu – den Fluchtpunkt. Horizontale und vertikale Linien (blau) bleiben, wie sie sind (Abb. 2).
Nun zum Zeichnen:
(Diese Karte war Teil der Lesende Personen STA 2022)
Ich beginne mit einer winzig kleinen Konzeptskizze, die ungefähr die Seitenverhältnisse einer Kakao haben könnte. Das zwingt mich dazu, das Konzept auf die absolut wichtigsten Bildelemente zu reduzieren um diese in ein angenehmes Verhältnis zueinander zu setzen.
Die Perspektive stimmt hier hinten und vorne nicht.
Moment noch
Damit wir uns wirklich, wirklich verstehen:
- Die Horizontlinie ist immer horizontal, das ändert sich nicht. Natürlich kann ein Bild gedreht, „auf die Ecke gestellt“, werden, aber für die zu konstruierende Perspektive ist die Horizontlinie horizontal.
- Vertikale Linien stehen immer im 90° Winkel zur Horizontlinie
- Wo die Horizontlinie liegt ist dem Künstler überlassen, sie kann sowohl ganz oben als auch ganz unten sein, mittig oder knapp über der Mitte…
- Der Fluchtpunkt liegt auf der Horizontlinie. Mal mehr rechts, mal weiter links. Auch das liegt am Künstler und am Motiv
Danach nehme ich mir ein Blatt Schmierpapier (meist Fehldrucke aus der Firma – Papierherstellung ist teuer und belastet die Umwelt. Versucht, so wenig Papier wie möglich zum Wegwerfen zu produzieren), zeichne diesmal einen Kakao-Umriss in den richtigen Maßen und dort zu aller erst die Horizontlinie (HL) ein.
Den Fluchtpunkt habe ich für mich auf der Konzeptskizze schon knapp neben dem Verkehrsschild festgelegt, dort kreuze ich ihn an (orange), um ihn auch wieder zu finden.
Um eine Fluchtlinie (hier grün) zu zeichnen lege ich mein Geodreieck fest an den FP an und bewege nur das freie Ende. So zielt die Fluchtlinie auf den FP.
Der Horizont wäre in diesem Bild sichtbar, läge nicht der Schlagbaum direkt davor.
Der Erdboden, aus dem das Getreide wächst, ist eine Parallele zur HL, ebenso die Oberkante des Getreides. Die seitliche Ackergrenze ist (in Natura selten so exakt…) eine Vertikale, wie auch der Pfosten des Schlagbaums. Also zeichne ich das Getreide als Rechteck (rot) passend ein.
Die Ecken verbinde ich, wie oben beschrieben, mit dem FP.
Et voilà – das Feld hat Tiefe bekommen.
So verfahre ich auch mit der Seite des Koffers.
Feld und Koffer könnt ihr euch wie Quader vorstellen, das hilft, wahrscheinlich vor allem beim Feld, daran zu denken, bei welchen Objekten die Ober- und wo die Unterseite zu sehen ist.
Erinnert euch an die Maus im Grundlagen-Tutorial.
Die fertige Skizze übertrage ich mittels Leuchttisch auf mein Zeichenpapier (LANA Dessin 220). Für die Outlines habe ich mich für Copic Multiliner in braun (Strichstärke 0.03 und 0.05) entschieden.
Ich coloriere das Bild mit Copics, setze Akzente mit Buntstiften und highlighte mit weißer Deleter Tusche und Schmincke Gouache.
Fehlerteufel!
Hier noch eine kleine Auswahl Fehler, die man machen kann, die ich gemacht habe, und die vermieden werden können, wenn man über sie Bescheid weiß.
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Zu große Sprünge
Fangt nicht mit dem Schwierigsten an. Kinder lernen krabbeln bevor sie stehen können, stehen bevor sie laufen lernen, laufen bevor sie rennen, und rennen bevor sie tanzen.
Fangt mit der Einpunktperspektive an, verinnerlicht die. Beginn mit nicht zu vielen Objekten, sondern tastet euch langsam vor.
Wer die Einpunktperspektive verstanden hat kann mit der Zweipunktperspektive weiter machen, wer diese verstanden hat kann sich an die Dreipunktperspektive und die Mehrpunktperspektive wagen.
Klar sehen die schwierigeren Perspektiven besser aus – aber sie sind eben auch komplizierter, verzeihen weniger Fehler und frustrieren somit schneller. -
Klappt die Bürgersteige hoch!
Was ich oft auch bei perspektivisch sonst stimmigen Bildern sehe, ist dass der Boden „hochgeklappt“ wurde. Jede Straße, jeder Zimmerfußboden beugt sich den Regeln der Perspektive – er hat gar keine andere Wahl.
Erinnert euch an Ab. 1 + 2. Der Holzboden ist nur von oben tatsächlich parallel. In der Perspektive laufen die Dielen auf den Fluchtpunkt zu. Zeichnet man die Dielen parallel, werden sie zu Vertikalen, stehen also nach oben wie die Seiten der Kartons und wirken „hochgeklappt“.
Gleiches gilt für Stein- und Fliesenböden: In der Perspektive gibt es für flache Objekte auf die man von oben schaut keine (oder nur gaaaanz selten) vertikalen Parallelen. -
Ich sehe was, was du nicht siehst
Nehmen wir das Bild mit der Katze aus den Grundlagen. Wenn wir dieses Bild aus dem Blickwinkel der Katze zeichnen gibt es Bildabschnitte, die im Foto sichtbar, aus dem veränderten Blickwinkel allerdings nicht sichtbar sind. Alles, was sich in den toten Winkeln befindet (die rot markierten Stellen) wird nicht gesehen und somit nicht gezeichnet. Zeichnet man diese Stellen doch („aber sie sind doch da?“) funktioniert die Perspektive nicht mehr, das Bild wirkt unstimmig.
Ich bin gerne gewillt, noch mehr Fehler aufzulisten, wenn mir noch was auf- oder einfällt, oder es Ergänzungsbedarf eurerseits gibt.
Und falls es Rückfragen gibt, ich irgendwas genauer erklären soll oder ich über ein Bild drüber schauen und Korrekturvorschläge geben soll (hallo, Höhenflug) – immer her damit!