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Perspektivisches Zeichnen - Dreipunkt-Perspektive

Hallo Freunde der Bilder, mit denen man nun endlich mal Eindruck schinden kann!

Bei der Dreipunktperspektive kommt zu den Fluchtpunkten in der Breite nun auch noch einer in der Höhe oder Tiefe. Damit sind wahnsinnige Eindrücke möglich, die wie gemacht sind, für ein Fanart zu Assassins Creed :wink:
Die Dreipunktperspektive baut auf die Zweipunktperspektive auf, also sollte diese vorher verstanden worden sein. Zum entsprechenden Tutorial geht es hier:

Die Dreipunktperspektive kommt ins Spiel, wenn wir als Betrachter etwas Hohes so betrachten, dass wir direkt nach oben oder unten schauen.
Schauen wir also direkt von unten einen Turm hinauf, oder von oben diesen Turm herunter haben wir eine Dreipunktperspektive.
Fluchtpunkt eins und zwei liegen dabei wie bei der Zweipunktperspektive auf der Horizontlinie auf Augenhöhe des Betrachters, also in der Breite; der dritte Punkt kommt ober- oder unterhalb des Betrachters dazu.
Je niedriger sich dabei der Betrachter befindet – entweder, weil er sehr klein, oder das Objekt/Gebäude sehr hoch ist – desto niedriger ist auch die Horizontlinie.
Umgekehrt befindet sich die Horizontlinie höher, wenn der Betrachter von hoch oben auf das Objekt herab schaut. (Eigentlich klar – von einem Aussichtsturm kann ich sehr tief und sehr weit schauen, in einer engen Gasse eigentlich nur hoch und weniger weit.)
In Fällen, in denen die Horizontlinie sehr hoch oder sehr niedrig liegt ist sie im Bild unter Umständen nicht mehr zu sehen, auch die Fluchtpunkte befinden sich nicht selten außerhalb.
Zudem gibt es fast keine Linien mehr, die nicht auf einen Fluchtpunkt zustreben, und somit auch kaum einen rechten Winkel.

Zur Zeichnung:

Dieses Bild ist eigentlich ein Redraw, nämlich von einem DINA5 Bild, das ich 2018 zu einem Zeichenwettbewerb eingereicht habe. Das Motiv und seine Komposition gefallen mir immer noch, und es eignet sich gut für ein Tutorial wie ich finde.

Bild 1

Eine hingekritzelten Entwurf brauche ich diesmal nicht, ich beginne also damit, dass ich eine Horizontlinie festlege. Diesmal liegt sie schräg im Kartenrahmen, das dient der Dynamik des Bilds, sie ist trotzdem die Bezugshorizontale.
Auf dieser Horizontalen lege ich links und rechts einen Fluchtpunkt fest, zusätzlich dazu gibt es allerdings noch einen Fluchtpunkt, der nicht auf der HL liegt, sondern darüber. In diesem Fall liegt FP3 im Mond. Auch das ist eine Frage der Dynamik und der Komposition.

Bild 2

Jetzt wirds tricky.
Wie erwähnt baut die 3-P-P auf der 2-P-P auf, diesmal kann ich allerdings die Vertikalen nicht im rechten Winkel zur HL einzeichnen, sondern muss sie auf den FP „im Mond“ ausrichten.
Um also diesen ersten Turm zu zeichnen ziehe ich zwei Linien von der HL in den FP Mond, und lege dabei fest, wie breit der Turm wird, eine dritte Linie begrenzt das Kirchenschiff. Das Dach und die Seitenmauer des Kirchenschiffs streben auf den FP rechts des Bilds zu. Die Giebelmauer des Kirchenschiffs hingegen orientieren sich am linken Fluchtpunkt.
Die Fluchtline in Richtung FP Mond wird somit zur Vertikalen, und es gibt eine Seite links und eine Seite rechts dieser Vertikalen. Ein Bild kann also ganz schnell unübersichtlich werden.
Alle Fenster, Türen, Tore, Dekorationen, Dächer richten sich nach diesen drei Fluchtpunkten. Es gibt keine Linie, die ins „Nichts“ läuft, Turmspitzen laufen, dem eigenen ästhetischen Empfinden entsprechend, zusammen, Dachschrägen verlaufen parallel.
Für diese Art der Perspektive ist es zumindest im Skizzen- oder Vorzeichnungsstadium wichtig, mit einem Lineal oder Geodreieck zu arbeiten! Ohne dieses Hilfsmittel wird die Perspektive schnell unstimmig, es kann passieren, dass die Statik der Gebäude fraglich wirkt.
Zwei künstlerische Ausnahmen habe ich gemacht: die eckigen Türme recht und links im Bild (links direkt neben der Kirche).
Und zwar verläuft beim linken Turm die rechte Mauer, und beim rechten Turm die linke Mauer nicht zum entsprechenden Fluchtpunkt. Sie stehen im rechten Winkel zur Höhenfluchtlinie. Der Grund dafür ist einfach, dass der korrekte Verlauf unglaublich seltsam aussah… ich berufe mich hier auf die künstlerische Freiheit :sweat_smile: Diese Tüme stehen aber somit schief! Sie sind statisch fraglich.

Bild 3

Wie dem auch sei.
Ich habe mehr und mehr Gebäude eingefügt, ein paar Bäume dazwischen gepflanzt, bis mir die Komposition gefiel.
Die fertige Skizze habe ich mittels Leuchttisch mit Copic Multilinern in Strichstärke 0.03 und 0.05 auf mein Zeichenpapier LANA Dessin 220 übertragen.
Hierbei verwende ich kein Lineal mehr, halte mich aber an die Linien, die ich auf der Skizze gezeichnet habe. Nur durch die kleinen Wackler beim Ziehen der Striche verliert die Zeichnung ihre sterile Anmutung, und bekomme Charakter.
Coloriert habe ich mit Copics, Aquarellfarbe, Buntstiften, und Tusche.

Eine Kleinigkeit noch zum Bild, genau genommen zum FP Mond.
Die Gebäude auf meinem Bild sind winzig, das Größenverhältnis zwischen Gebäude und Abstand zum FP somit so, dass ich den FP ins Bild zeichnen kann, ohne dass die Winkel gestaucht aussehen.
Wären die Gebäude größer, oder auch einfach nur der Abstand geringer, würde dieser Abstand nicht mehr harmonisch aussehen. Den FP hätte ich also mit einem größeren Abstand, und ggf. außerhalb des Bilds, einzeichnen müssen.
Hier im Beispiel habe ich einmal ein Haus mit einem harmonischen Verhältnis zwischen Abstand und Höhe (recht nah am goldenen Schnitt), daneben einmal den Gleichen Abstand zwischen HL und FP, aber ein zu großes Gebäude (doppelt so groß wie im ersten Bild), und einmal einen zu geringen Abstand zwischen HL und FP, während das Gebäude etwa gleich groß bleibt.
Bild 5 Bild 6 Bild 7
Das höchste Gebäude auf meiner Beispielkarte ist etwas halb so groß wie der Abstand zwischen HL und FP.
Es gibt jedoch keine Regeln, wie das Verhältnis von Objekt zu Abstand sein muss. Erlaubt ist, was dem Bild gut tut. Ist der Abstand sehr groß, ist der Winkel des Objekts weniger auffällig, bzw. weniger „schief“, einen zu großen Abstand gibt es nicht.

Ebenfalls um die Dreipunkt-Perspektive handelt es sich hier: [STA] Dinosaurier in der Menschheitsgeschichte - mit extra strengen Regeln - #121 von FraeuleinAmalia
Wobei in diesem Fall der dritte Fluchtpunkt unterhalb des Motivs liegt.

Da das bis hier hin wahrscheinlich schon recht viel Stoff war, erspare ich euch eine weitere perspektivische Besonderheit diesmal.
Aber lasst es mich wissen, falls ihr Fragen habt, oder schreibt mir, wenn es bestimmte Dinge gibt, die ich erklären soll.
Bis zum nächsten Tutorial!

Quelle (neben Versuch und Irrtum):
Perspektive richtig sehen und zeichnen; Matthew Brehm – EMF Verlag – ISBN 978-3-86355-615-0

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Ihr Lieben!
Ich weiß, dass beim Serverbrand einige Bilder auf nimmer Wiedersehen verloren gegangen sind und dass meine Tutorials seither etwas kahl sind.
Im Moment kann ich keine Bilder einfügen, da ich Erledigtes recht schnell lösche und keine Sekunde damit gerechnet hätte, dass ich ausgerechnet diese Bilder nochmal brauche.
Ich muss also neue Bilder machen, teils neu zeichnen, und dafür habe ich jetzt gerade keine Zeit, im Laufe des Jahres sollten sich allerdings ein paar Gelegenheiten für mich ergeben, passende Bilder zu finden und einzupflegen.
Außerdem fehlt noch ein Tutorial zur Mehrpunktperspektive, das wird auch irgendwann im Lauf des Jahres folgen.

Bis da hin bitte ich einfach um ein bisschen Geduld, ich schreibe es hier in die Kommentare, wenn die Tutorials wieder bebildert sind :)

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