Ich bin als Sockenzombie beim Finanzamt eingetragen, also bin ich sogar ganz offiziell Künstler. Aber das allein sagt gar nichts. Ich denke, es ist eine Frage der Ansicht und möchte hier einigem gesagten Widersprechen. Erst mal der Skizzenbuch Aussage.
Meine Skizzenbücher sind meine Schätze! Eine Karte ist ein einzelnes Werk, eine Geschichte, eine Emotion, ja, kann auch Kunst sein. Mein Skizzenbuch aber enthält hunderte Geschichten und steckt voller persönlicher Notizen und Ideen, dieser Eigenwert ist unbezahlbar! Es ist krakelig, chaotisch und energiegeladen. Und ich habe den Anspruch, dass mein Skizzenbuch fertig wird. Jedes immer wieder aufs neue. Ich nutze immer nur eins gleichzeitig und habe bereits viele fertige Bücher. Und mein aktuelles soll auch irgendwann fertig werden. Jedes einzelne davon ist wertvoller als nur eine meiner Kunstkarten und alle sind vollgestopft mit Kunst.
Wer Kunst macht, ist Künstler, also ist es eher die Frage, was sieht man selbst als Kunst an.
“Ist das Kunst oder kann das weg?” Der Satz sagt schon, dass es sich um jemanden handelt, der etwas eigentlich nicht als Kunst sieht. Kann also weg.
Vieles was in Museen steht, empfinde ich nicht als Kunst. Es spricht mich eben nicht an. Auch viele Bilder nicht, die hier in der Galerie gezeigt werden. Nicht sorry, ist so. Das mag jeder anders sehen, aber ich habe den Anspruch, dass mich etwas berühren muss, dass ich etwas beim ansehen fühlen will, um es als Kunst bezeichnen zu können. Ja, Technik gehört vielleicht dazu, aber ein Bild kann technisch noch so perfekt sein, wenn es leer ist, mir nur ein Schulterzucken entlockt, wenn es mich, durch was auch immer, nicht dazu bringt, es länger als ein paar Sekunden anzustarren, egal aus welchem Grund, dann will ich es nicht als Kunst bezeichnen.
Und Musik kann nicht “hingeschmiert” sein? Doch! Ich bin Musiker und Musik kann genauso scheiße klingen, wie ein Bild “hingeschmiert” sein kann. Musik, die mir nicht gefällt, ist keine Kunst für mich. Anderen gefällt andere Musik. Also kann sie für andere durchaus Kunst sein. Aber es gibt da diese Sache, diese eine Sache, was so ziemlich jeden fasziniert. Emotionen. Dazu gleich mehr. Erst noch zum Wort “hinschmieren”, ich schreibs in Anführungszeichen, weil ich finde, es sagt im Bezug, ob etwas Kunst ist, nichts aus. Gerade lockere, hingeschmierte Motive sind für mich oft mehr Kunst, als technisch ausgearbeitete Werke. Und hier lasse ich bewusst das “Kunst” vom Wort “Kunstwerke” weg. Man erkennt die Technik dahinter sowieso, die Übung, wenn es jemand gut kann. Wenn jemand jahrelang dran gearbeitet hat und seine Technik einfach beherrscht. Das ist cool, das ist super und mega nützlich, aber für mich noch keine Kunst.
Und Glück? Nein. Ich denke nicht, dass etwas Glück ist. Kunst kann verdammt harte Arbeit und jahrelanges Üben sein. Nur das allein reicht eben leider nicht, wenn der Hintergrund fehlt. Damit mein ich nicht den Bildhintergrund, sondern das, was hinter einem Bild steckt. Ein Bild kann technisch noch so gut sein, aber wenn man ihm keine Botschaft gibt, keine Geschichte und noch viel wichtiger, keine Emotionen, dann ist es leer, “kann weg”, so traurig das auch klingt. Und ja, eine abstrakte, wütende Krizzelei kann durchaus mehr davon enthalten, als das detaillierteste, aber verkrampft gemalte Super-Gemälde. Man hat es selbst in der Hand! Es ist eben kein Glück. Man bestimmt, was man tut und vor allem wie man es tut, was man bereit ist, in ein Bild oder ein Musikstück zu legen. Man kann es kontrollieren, etwas festlegen, sich dann fallen lassen und es ausdrücken, alles da rein stecken, allein schon durch die Art, wie man seine Linien zieht. Das funktioniert z. B. nicht mit einem Lineal, das einen beschränkt. Ein Song kann technisch perfekt vorgetragen werden. Aber ohne die Seele dahinter ist er nichts, keine Kunst. Wer will ihn höhren, wenn man auch Songs hören kann, die so viel mächtiger, energiereicher sind, dass sie einem Gänsehaut bereiten, mich zum Lachen oder zum Weinen bringen können? Nein, der Song könnte dann auch gleich von einem Roboter gemacht werden, wenn er das nicht kann. Und das gleiche gilt für Bilder. Kunst.
Malt man des Malens Willen, ein technisch perfektes Bild, um einfach ein hübsches Motiv zu haben, um zu zeigen, ja, ich bin so gut, ich kann das ODER drückt man etwas, sich selbst, damit aus und legt sein Herz da rein? Ersteres ist hilfreich und harte Arbeit, aber nur zweiteres hat für mich die Möglichkeit, Kunst zu werden. Nicht unbedingt zu sein, denn es muss mich persönlich immer noch ansprechen. Das kommt dann drauf an, um was es geht. Manches spricht viele an, manches nur ganz wenig Leute. Ich seh sicher auch einiges als Kunst, wovon andere nur denken, jo, kann weg.
Ich bezeichne mich selbst als Künstler, wenn ich es schaffe, andere mit meinen Bildern zu berühren. Wenn sie überrascht die Augen aufreißen, sprachlos WTF denken, hingerissen sind vor Traurigkeit oder anfangen zu grinsen, wenn sie meine Bilder fasziniert ansehen und nicht mehr im Stande sind, wegzuschaun. Anatomie, Perspektive, Farblehre und der ganze Scheiß sind nützlich, aber nur Handwerk und Fleiß. Kunst wird es erst, wenn man damit was macht, das jemanden dazu bringt, aus dem Alltag aufzuwachen, etwas, was Gefühle übermittelt.
Und um das zu schaffen, muss man nicht ein Kunststudium absolviert haben. Jeder kann das. Jeder kann Künstler sein. Einer sein zu wollen reicht nur nicht, um einer zu sein. Die Entscheidung einer zu sein, ist nur der erste Schritt. Der entscheidende ist aber, es zu tun. Und die Art, wie man es tut bestimmt, was rauskommt. Wenn man alles um sich herum vergisst, nicht für etwas oder jemand anderen malt, sondern um diese Energie in einem selbst auszudrücken, mit vollem Fokus und 100%iger Aufmerksamkeit, kann fast nur Kunst entstehen. Und ja, dafür braucht man erst mal Energie und die Bereitschaft, Emotionen hochkommen zu lassen und sie dann in seiner Kunst loszulassen, offen zu zeigen. Je mehr man davon frei lässt, desto eindrucksvoller erscheint es nach außen. Das will man manchmal gar nicht und das ist nicht immer leicht. Aber wer sich das traut, wird gesehen. Es zeigt sich in allem, was derjenige macht, egal ob das jetzt Bilder Krizzeln ist, Teller abwaschen oder ein Boxkampf. Alles kann Kunst sein.